
Inside BI Research: Stromnetze, Rechenzentren und eine Stadt im Wandel
Extraktive urbane Landschaften: Über die Expansion von Rechenzentren in Berlin und den Umbau städtischer Infrastrukturen
Beim jüngsten Forschungskolloquium an der Berlin International University rückte der Fokus weg von Architektur und Design – hin zu Infrastruktur und digitaler Energie. Fabian Halfar und Niklas Steinke, beide in der kritischen Stadtforschung aktiv, präsentierten ihre eindrucksvollen Erkenntnisse über die wachsende Präsenz von Rechenzentren – und deren tiefgreifende, oft übersehene Auswirkungen auf Berlins Stromnetz.
Im Mittelpunkt ihrer Präsentation stand eine zunehmende Spannung: Der rasante Ausbau von Rechenzentren bringt das ohnehin stark beanspruchte städtische Stromnetz an seine Grenzen. Diese Einrichtungen – Rückgrat der digitalen Wirtschaft – verbrauchen enorme Mengen Energie und verändern die Art und Weise, wie Strom innerhalb der Stadt verteilt wird.
Besonders besorgniserregend sei laut den Forschern die spekulative Sicherung von Hochspannungsanschlüssen. Diese würden oft lange vor tatsächlicher Nutzung und in überdimensioniertem Umfang reserviert – was dazu führe, dass Teile des Stromnetzes de facto blockiert werden. Mächtige digitale Akteure – darunter Cloud-Anbieter, Immobilienentwickler und globale Technologiekonzerne – richten sich dadurch zentrale Infrastrukturen zu ihren Gunsten ein.
Halfar und Steinke bezeichnen dieses Phänomen als digital induzierten Infrastruktur-Extraktivismus: ein Prozess, bei dem digitale Unternehmen städtische Infrastrukturen vereinnahmen und in großem Stil an datenbasierte Geschäftsmodelle anpassen. Diese Entwicklung hat jedoch ihren Preis: Kleine, lokale Unternehmen – denen Kapital oder politischer Einfluss fehlen – werden zunehmend verdrängt.
Was entsteht, erinnert an ein Konzept, das in Schweden als Energie-Gentrifizierung beschrieben wird: eine schleichende Verdrängung kleinerer Akteure aus dem Energiemarkt durch ungleiche Zugänge zur Energieversorgung.
Während Berlin sich zunehmend zu einem strategischen Standort für Investitionen in Rechenzentren entwickelt, war der Appell der beiden Forscher eindeutig: Wir müssen genauer hinsehen, wie digitale Infrastrukturen unser urbanes Leben verändern – nicht nur digital, sondern auch räumlich, sozial und politisch.
Ihre Forschung eröffnet wichtige Diskussionen an der Schnittstelle von Technologie, Stadtpolitik und Gerechtigkeit. In einer Zeit, in der Infrastrukturen oft erst dann sichtbar werden, wenn sie versagen oder umkämpft sind, lädt diese Arbeit Studierende, Forschende und Stadtgestaltende gleichermaßen dazu ein, sich zu fragen: Wer bekommt Zugang? Wer wird ausgeschlossen? Und welche Stadt wollen wir eigentlich gestalten?
Ein herzliches Dankeschön an Fabian Halfar und Niklas Steinke für ihren wertvollen Beitrag. Wer sich tiefer mit dem Thema auseinandersetzen oder in den Austausch treten möchte, kann sich direkt an sie wenden:
n.steinke@campus.tu-berlin.de
fa.halfar@googlemail.com